„Das Wichtigste in Kürze“

Im Atelier

Die Nachrichten fassen in 3 Minuten „das Wichtigste in Kürze“ zusammen, und das sind meist blutige Katastrophen, Skandale, und zuverlässige Perspektiven und Prognosen für weitere.
Mit einer sportlichen Lust – fast – wird „das Wichtigste in Kürze“ von Sprecherinnen und Sprechern serviert, als handle es sich um sensationelle Menüs, die zu jeder Stunde neu serviert werden. Oder sind es Infusionen?

Schlamm

Schlammlawinen, infolge der hochdosierten Informationsflut, legen sich über die wahrnehmende, aufmerksame, mitempfindende Seele. Sie ist mit der Türkei, in Israel, bei den Flüchtlingen im Mittelmeer, in Afrika und all dem Ungenannten das sich vermuten lässt, in Resonanz. Doch das Fassungsvermögen der Einzelexistenz, meines jedenfalls, ist völlig überfordert und wird trampelnd weggespült, wird weggeschlagen von den Schlagzeilen. Die sind nicht schuld am dem was unerträglich schmerzt. Auch von der persönlichen Seite kommen intensive Botschaften. Eine davon: der Steindrucker Manfred Hügelow, mit dem ich viele Jahre freundschaftlich zusammen gearbeitet habe, ist verstorben.

Stix

Wie gefährdet sind wir, wie gefährdet die Gefährten? Gefahr – fahren – Fähre.
Die Fähre über den Stix? Gewiss. Wir müssen uns – ich muss mich neu fassen.

Atelier

Ich schließe die Tür hinter mir zu und lehne mich mit dem Rücken an die sichere Wand der Sterblichkeit. Schaue hinein, nach Innen – in den Atelierraum, in mich. Draußen: sich entfernende Gewitter, abziehender Lärm. Die Informationsflut, die mich aus der Fassung bringt, lasse ich versickern.  Den verbliebenen Schlamm werde ich untersuchen und vielleicht als Rohstoff verwenden. Vermutlich ist auch diesmal, wie immer, wertvolles Strandgut dabei.

Stimmung

Allmählich wird der aufgewühlte Raum leer und still. Es braucht geduldigen Willen dafür.
Die emotional geladenen Gedanken versammeln sich wie erschöpfte Hunde nach der Jagd.
Sie lagern sich um meine stillen Füsse die nicht mehr weggehen wollen. Weg gehen. Keine Wege mehr gehen. Sie sind ja angekommen im Atelier, im Kunstraum. Stillstand.

Stillstand

Im stillen Stand kann die Vertikale justiert werden. Zwischen dem Mittelpunkt der Erde, der Sonne, zwischen Sirius und der Unendlichkeit des kosmischen Raumes. Das Rückrat streckt sich. Die Aufrechte, zwischen Sohle und Scheitel wird gestimmt wie die Saiten auf einem Kontrabass.

Sein

Meine horizontal schweifende, perspektivische Suchautomatik hält die Augen geschlossen.
Der Atem wird ruhig, fließend. Das einfache Da-Sein erwacht. Da-Sein. Einfach Sein: S E I N.
Der Raum verändert seine Vibration. Er wird empfangsbereit, wie das gestimmte Musikinstrument für die Musik. Ich spüre die großen, rhythmisch grundierten Leinwände nach ihrem potenziellen Inhalt ab.

Sichtbarkeit

Die Stille enthält alle Musik, der leere Raum alle Gestaltung. Schon zeigen sich dem inneren Sinn feine Strukturen, geometrische Muster, tanzende Bewegungen. Wie Choreografien der Freude nähern sie sich. Stark müssen diese feinen Impulse werden. Nein, stark sind sie schon. Denn es sind die Koordinaten des Lebendigen. Sie sind unendlich weiter reichend als der Katastrophenlärm, unendlich tiefer lotend als die Friedhofsstille. Ich muss sie verstärken und sichtbar machen. Das ist alles. Das ist für mich „das Wichtigste in Kürze“.

Bald bin ich bereit damit zu beginnen. Es wird Zeit.