Ist Kunst sytemrelevant?

Vortrag 14.9.2021 Bad Boll

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Ist Kunst systemrelevant?
Wer fragt das?
Ist das System relevant das eine solche Frage stellt?
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Wir müssen zwingend die Systeme unterscheiden lernen.
Jene die lebensfreundlich wachsen und Frucht bringen für das Ganze, und jene die das gemeinsame Gut, einschließlich unserer farbigen subjektiven Vermögen abwerten, und durch einen Strich- oder QR-Code ersetzen wollen, um sie in gierige, separate Taschen zu saugen.

Was  in der Folge Umwelt-Wüsten, Innwelt-Depressionen und verbrauchte Endverbraucher hinterlässt.
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  • Um diese höchst fragwürdige Frage zu beantworten, müssen wir fragen, um welches System es sich hier handelt, und was unter Kunst verstanden wird: Unterhaltung, Luxusgüter die kein Mensch braucht, Kunstwerke die die Frage aufwerfen: ist das Kunst oder kann das weg? oder vielleicht doch noch etwas ganz anderes?
  • Das soll in meinem Vortrag näher betrachtet werden.
  • Unter dem Begriff Kunst fasse ich dabei Dichtung, Musik, Theater, Film, Tanz und Bildende Kunst zusammen.
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Überblick

  • Der Vortag beginnt mit einem berühmten schwäbischen Dichter und Systemkritiker.
  • Dann machen wir einen örtlich kleinen Schritt, dafür aber einen großen Zeitsprung zum Ursprung der Kunst.
  • Im Weiteren befassen wir uns mit Kunst und Technik und dem Spannungsfeld zwischen Objektiv und Subjektiv, zwischen Wissenschaftler und Künstler, wozu auch der Physiker Werner Heisenberg etwas zu sagen hat.
  • Die inneren Vermögen.
  • Insgesamt geht es um Einblicke in komplexe Zusammenhänge. Insofern übe ich mich mit dem Vortrag auch im systemischen Denken.
    Daraus sollte sich erschließen, dass Kunst lebensrelevant ist, in welchem System auch immer.
    Zwei Beispiele werden das am Schluss belegen.
  • Fazit.
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Schiller (1759-1805, ist nur 46 Jahre alt geworden.)
Eine der markantesten historische Persönlichkeiten die ein herrschendes System in Frage selten, war der Arzt, Dichter und Philosoph:  Friedrich Schiller: (Seine Biografie ist grandios beschrieben von Rüdiger Safranski.)
Er floh 1782 vor seinem Fürsten Herzog Karl Eugen, in dessen Diensten und Verfügungsgewalt er stand. Er wollte nicht zum Exclusivgefangenen auf dem Hohen Asperg werden, wie sein von ihm,  und auch von Hölderlin (1770-1834)  verehrter Dichter-Kollege Schubart (1739-1791, nur 52 Jahre alt geworden). Schillers erstes Bühnenstück, die Räuber, das in Mannheim uraufgeführt wurde, machte ihn berühmt. 
Seine Botschaft lautet – übersetzt: Kunst ist nicht systemrelevant, Ja sie darf es nicht sein, sonst ist sie systemimmanent. Das heißt sie bedient und propagiert das herrschende System, wird Propaganda, und wird ihrer Verpflichtung und Verantwortung, gesellschaftliche Zusammenhänge kritisch zu untersuchen zu hinterfragen, zu benennen und zu beleuchten, nicht gerecht.
Sein weiteres Werk prägte und befruchtete wesentlich, zusammen mit seinem Freund Goethe, unsere Sprache und unser Denken.

  • Dabei ist der bloß systemkritische Aspekt weder der Kern in Schillers noch in Goethes Werk.
    Im Zentrum standen die Bildung idealer Werte für die menschliche Entwicklung, wie etwa in Schillers Briefen zur ästhetischen Erziehung des Menschen. Und Goethes Faust lotet- wie wir alle wissen – die Dimensionen des Menschlichen, einschließlich Himmel und Hölle aus, Dimensionen, die bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren haben.
  • Kunst reduziert sich also nicht darauf bloß subversiv sein. Doch sie muss kritisch hinterfragen, wozu auch die Selbstkritik zählt. 
  • Kunst steht für freies Denken!

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Ursprung der Kunst

  • Manchen wir einen gewaltigen Zeitsprung.
  • Wir können dabei, wie mit Schiller, im Schwabenland bleiben, nach Antworten graben und zu überraschenden Funden gelangen.
  • Schauen wir nach dem Ursprung der Kunst, und welche Funktion und Bedeutung sie für die  ersten modernen Menschen hatte.
    Besuchen wir in Blaubeuren das Urweltmuseum und werfen einen Blick in das eindrucksvolle Buch: „Als der Mensch die Kunst erfand“, von Nicholas Conrad und Claus-Joachim Kind das im Theiss-Verlag erschienen ist.
  • Vor etwa 43 000 Jahren erreichten die ersten modernen Menschengruppen, während der letzten Eiszeit, auch die Höhlen der Schwäbischen Alb. Wie in den nordspanischen und südfranzösischen Höhlen, hatten diese Menschen damals schon Kunst geschaffen.
    Sie haben gemalt, Skulpturen gefertigt und Flöte gespielt. Also Tätigkeiten ausgeübt und Fertigkeiten entwickelt, die nicht unmittelbar der Nahrungsversorgung und der Sicherheit dienten.  
    Die beiden Autoren ordnen diese Menschen in drei Kategorien: Jäger, Sammler und Künstler.
    Im Ach- und Lonetal wurden die weltweit ältesten Funde figürlicher Kunst entdeckt, wie die „Venus vom Hohle Fels als die älteste Darstellung einer menschlichen Figur, einer Frauenfigur. Und der berühmte Löwenmensch, sowie eine  wundervolle Mammutschnitzerei.
  • Man muss sich das mal klarmachen, dass damals ein Mensch dieses riesige Tier in einer winzigen Figur, 37 mm,  zu fassen vermochte. Was für eine Übersetzung der machtvollen sinnlichen Wirklichkeit in ein winziges Objekt, das in eine Hand passt. 
    Das war eine enorme abstrakte Leistung! Ist darin nicht auch wortlos gesagt, dass der Mensch, ganz offensichtlich, die gewaltige Umwelt in die eigene Hand zu nehmen begann, indem er sie zu modellieren lernte, also Modelle von ihr schuf?
  • Es fanden sich in den Höhlen auch Flöten aus Gänsegeierknochen.
    Diese Menschen hatten also auch Musik gemacht, sicherlich gesungen und in Rhythmen getanzt. Rhythmen die sie sowohl in ihrem eigenen Leben, als auch in der Natur mit ihren Jahreszeiten erlebten. Rhythmen in denen sie sich bewegten, und denen sie sich anpassen mussten.
  • Gewiss lebten diese Menschen unter sehr schwierigen Bedingungen, und dennoch schufen sie mit einfachen Werkzeugen Kunstwerke die uns heute noch ansprechen. 
  • Es ist phänomenal, wie frisch auch diese etwa 30 000 Jahre alte Höhlen-Malerei aus der Ardeche wirkt. Picasso könnte es nicht besser. Wobei die Malereien in den dunklen Höhlen ausgeführt wurden.
    Auch hier kann, wie bei dem kleinen Mammut, von einer Aneignung, von einer Einverleibung, von dem Studium der „gefährlichen“ Umwelt gesprochen werden.
    Denn wenn der Löwe gezeichnet wird, dann verliert er seinen Schrecken. Er wird bildnerisch ergriffen. Er wird vertraut, benannt und erforscht. Der Künstler verleibt ihn sich ein und kann ihn ausdrücken, sodass die Gemeinschaft ihn sehen kann, doch in einem ungefährlichen Kontext.
  • Der Künstler malt die Gefahr, und zugleich die Schönheit und Würde dieser Gestalt. Er nimmt sie mit seiner Imagination wahr und kann sich damit auseinandersetzen, phantasievoll-geistig, also kreativ, ohne direkt konfrontiert zu sein.
    Er war damit in der Lage Bilder und Vorstellungen zu entwickeln, und er lernte zu reflektieren. Dabei entwickelte er jene Fähigkeiten, die es ihm möglich machten, seine Umwelt und sein eigenes Wesen zu erkunden.
  • Um Werkzeuge herzustellen brauchte es handwerkliche Geschicklichkeit, doch zuvor musste die Idee für dieses Werkzeug auftauchen. Ideen und Vorstellungen liegen im Bereich des menschlichen Denkvermögens, im Bereich der Vorstellungskraft, der Imagination.
    Sie gehören der rechten Hemisphäre an, die in Bildern und Ganzheiten denkt, während die linke Gehirnhälfte analysiert, misst und konstruiert.
  • Ideen sind Geistesblitze die einleuchten und das Gehirn, mit seinen beiden Hemisphären und den ganzen Menschen belichten.
  • Es zeigte sich früh, dass durch handwerkliche Tätigkeit auch die mentalen, emotionalen und kreativen Fähigkeiten entwickelt wurden, die tauglich waren, immer ausgeklügelte Waffen und hilfreichere Werkzeuge herzustellen, um im Lebenskampf zu bestehen und die erforderlichen Grund-Bedürfnisse zu befrieden. 
    Und darüberhinaus, durch die künstlerischen Möglichkeiten, sich dem Rätsel des Daseins zu stellen, und damit das Leben in größeren Zusammenhängen zu erfassen, was wiederum überlebenshilfreich war, da es auch die Fähigkeit zur Kommunikation und zur strategischen Planung ausbildete.
  • So waren die Menschen als Jäger für die Nahrung zuständig, als Sammler für die Lagerhaltung, als Künstler für die Ideen und als Handwerker für die Herstellung von Werkzeug, Waffen, Instrumenten, Schmuck und Kunstgegenständen. 
    Die Künstler waren zugleich die Ingenieure und Techniker die neue Methoden erfanden, ausprobierten und in das geistige Vermögen der Gruppe einführten. Und vermutlich waren alle Fähigkeiten oft in denselben begabten Personen vereint.
  • Es ist ja nachvollziehbar, dass jemand der einen Faustkeil zu fertigen versteht, also skulptural arbeitet, auch etwas zu schaffen vermag, das nicht dem unmittelbaren physischen Zweck dient.
    Sein handwerkliches Können weckte Fantasie und Ideen aus den latenten emotionalen und geistigen Potenzialen auf, das Gewohnte einmal anders zu auszuprobieren. Dabei entstanden Figuren, die als neue, immaterielle symbolisch-emotionale Werte, in die staunende Gruppe eingebracht wurden.


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Kunst und Technik

  • Kunst und Technik waren und sind innig verbunden.
  • Kunst ist Suchen, findiges Spielen und Experimentieren, und Technik: Machen, Konstruieren, und Produzieren. Diese Gemeinsamkeit findet sich auch in der griechischen Sprachwurzel: tecne, von der sich Kunst und Technik ableiten.
  • In einem alten Herkunftswörterbuch fand ich den Eintrag: Kunst kommt sprachgeschichtlich von: „Wissen-Weisheit-Erkenntnis“. 
  • So dürfte sich auch Die Frage nach dem Sein, die Frage des Menschen nach sich selbst, als Ich, Du und Gemeinschaft, eingestellt haben.
  • Wir sehen: Die Kunst, die wir hier in ihren Anfängen besuchen, zeigt uns, dass der Mensch, über die notwenigen Anforderungen des Überlebens hinaus, bereits einen musischen, spielerischen Freiraum kannte, und an Selbst- und Welt-Erkenntnis interessiert war. An der Erforschung von erahnten Zusammenhängen, die nicht unmittelbar auf einen Zweck oder Nutzen hin ausgerichtet waren, sondern auf die Auseinandersetzung und intelligente Durchdringung der Umwelt, und auf die Rätsel des Lebens zwischen den erfahrbaren, existenziellen Großereignissen: Geburt-Liebe-Tod, in die jedes Lebewesen eingebunden war und ist.
  • Die frühen modernen Menschen waren Lernende, Forscher und Entdecker. Sie schufen, wie wir Heutigen, Welt- und Menschenbilder nach ihrem Einsichtshorizont.
  • Das Leben der Menschen war offensichtlich auch schon damals nicht nur ein automatischer, biochemischer Ablauf innerhalb zwingender natürlicher Koordinaten, sondern ein (oft unbequemes) Rätsel mit offenem Spielraum, in dem der Mensch seine Fragen stellen, und seine Potenziale entfalten konnte.
  • Fragen setzen Bewusstsein voraus und entwicklen es weiter. Fragen produzieren Deutungen und Geschichten. Sie schaffen Bilder aus denen die jeweiligen Gruppen ihre Identität bezogen haben.
  • Wir waren und sind schöpferische Wesen. Daran hat sich nichts geändert. Nicht nur im Sinne des sich künstlerisch Betätigens, sondern viel elementarer und näher. Nämlich dass wir in jedem Augenblick in unserem Gehirn die unzähligen Informationen von Innen und Außen zu Bildern zusammenfassen, die wir dann als Wirklichkeit deuten und erleben, obwohl ein andrer Mensch dieselbe Wirklichkeit wahrscheinlich völlig anders deutet und erlebt. 
  • Wir sind Wesen die sich erinnern. Geschichtliche Wesen die Geschichten erzählen von der Wirklichkeit, und diese deuten.
  • Wir kennen Goethes wissensdurstigen Faust der den mächtigen Erdgeist mit allerlei mühsamem Zauber zur Erscheinung zwingt, und dieser dann wütend antwortet, bevor er verschwindet: Du gleichst dem Geist den du begreifst, nicht mir!
  • Kunst ist immer auch eine Frage des Maßes, der Einsicht in die Grenzen und eine Kraft, die die Gefahr der Hybris, der Selbstüberschätzung und Verblendung, mit Humor und Satire aufzulösen vermag.
  • Dabei sind wir notwendigerweise subjektiv. Wir haben alle einen eigenen genetischen Code,
    Das ist unsere Besonderheit und unsere Grenze, denn wir sehnen uns nach Objektivität, nach der objektiven Wahrheit, bleibenden Gültigkeit, und Perfektion, unbewusst wohl nach Unsterblichkeit.

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Subjektiv und Objektiv

Schauen wir uns das Spannungsfeld zwischen dem Subjektiven und dem Objektiven näher an.

  • Die Frage nach der objektiven Wahrheit ist die treibende Kraft, das Agens der Wissenschaft. Es ist das Bestreben des Menschen aus seiner subjektiven Grenze herauszulangen und sich, in einem größeren Verbund eingebettet, wiederzufinden und zu beheimaten. 
  • Seit der Eiszeit sind wir als Menschheit durch viele verschiedenen Kulturen mit ihren Gottes- Welt- und Menschenbildern gereist. In manchen Menschen versammelten und verdichten sich ganze Epochen. Zum Beispiel In der Person von Leonardo da Vinci, um 1500 (1452-1519 / 67 Jahre alt) In ihm verkörperte sich auf einmalige Weise der wissenschaftliche und künstlerische Geist zu einer schöpferischen Synthese. Kunst und Wissenschaft ergänzten sich in ihm als gleichwertige Pole und bildeten ein lichtvolles, starkes personales Strahlungsfeld, das noch heute wirkt und  unübertroffen ist.

    In der Renaissance befreite sich der, von Dogmen und Aberglauben eingesperrte Geist, und wagte sich in die unmittelbare Anschauung.
    Er wagte sich ins Innere der Körpers und begründete eine neue Medizin. 
  • Er wagte sich ins Äußere der Welt und entdeckt Amerika. Er erfand die Perspektive und damit sein Ich, seinen Standpunkt und den Fluchtpunkt, er entdeckt den Raum.
  • Das stellte den Menschen ins Zentrum des Bildes, was für andre, etwa die islamishe Kultur und die Ikonenmalerei eine Blasphemie war. Der Mensch tritt sich selbst in seiner Subjektivität objektiv gegenüber. Das kommt repräsentativ bei Dürers Selbstbildnis zum Ausdruck. Es ging ab der Renaissance um objektive Wahrnehmung, bis sich aus dieser Suche und Forschung 1839 schließlich die Fotografie durch Daguarre erfunden, der Silberplatten mit Jod polierte, und sie so lichtempfindlich machte. Parallel wurde dann, in Verbindung mit der Optik das „Objektiv“ hervorbrachte. Was die Blickdimension und den Horizont des Menschen ins Kleinste durch Mikroskope, bis in das Unfassbare der atomaren Strukturen und ins Größte durch Teleskope und dem grenzenlosen, sich ausdehnenden Universum erweiterte.
  • Die Physik entwickelte sich als Wissenschaft zum Garant für Objektivität bis – auch hier müssen wir nicht weit gehen – der in Ulm (1879) geborene Albert Einstein die Relativitätstheorie entwickelte, und damit die gesicherte Wissenschaft um eine erschütternde Dimension der Ungewissheit erweiterte, die dann später zur Quantenmechanik und zur Unschärferelation von Werner Heisenberg (1901 in Würzburg geboren) führte.
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    Werner Heisenberg
  • dieser herausragende Wissenschaftler und Nobelpreisträger, übrigens auch Pianist und ein umfassender Denker, was seine zahlreichen Schriften belegen, äußerte sich in einem Gespräch mit Albert Reif folgendermaßen zu Wissenschaft und Kunst.
  • Die Aufgabe des Dichters besteht ja darin, Erlebnisse oder Erfahrungen oder philosophische Überlegungen in überzeugenden Bildern zu gestalten und diese Bilder dann in der Sprache darzustellen, so dass sie von anderen nacherlebt werden können.
    Auch der theoretische Physiker hat die Aufgabe, die Beobachtungen der Phänomene, die Ergebnisse der Experimente in überzeugenden Bildern zusammenzufassen und dann mathematische Formeln zu finden, in denen sich diese Bilder darstellen lassen.
    Er kann diese Bilder ebensowenig logisch aus den Experimenten ableiten, wie der Dichter mit seinen Bildern etwa einfach die Erfahrung kopieren könnte. In beiden Fällen müssen die Bilder aufgrund sorgfältiger Beobachtung und längerem Nachdenken doch gewissermaßen von selbst im Denken des schaffenden Künstlers und Wissenschaftlers entstehen. …
    Die Ähnlichkeit der künstlerischen und der wissenschaftlichen Tätigkeit sehe ich also darin, dass das Auftauchen der Bilder in beiden Gebieten in ähnlicher Weise geschieht und die Grundlage für die später Formulierungsarbeit bildet.

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  • Heute sind wir, durch eine gigantische Entwicklung des genialen Erfindergeistes von Wissenschaft und Technik – und wohl auch aus einem gewissen Eroberungstrieb heraus, mit dem fragwürdigen Auftrag uns die Erde untertan zu machen – in einer bis dahin unvorstellbaren globalen Wirklichkeit angekommen, in der alles miteinander vernetzt ist, sich aufeinander bezieht und voneinander abhängt.
  • In einer Wirklichkeit in der sich geschlossene Systeme entwickeln, die von den Ressourcen der Erde leben – und die Erde ist ein offenes System – und durch ihre Masslosigkeit dabei sind, die Grundlage auf denen sie basieren, also die Natur, und damit auch die Natur des Menschen, anzugreifen und zu gefährden. 
  • Wem fällt hier nicht Goethes Zauberlehrling ein, der die Geister die er rief nicht mehr stoppen konnte.
  • Wenn also das natürliche Wachstum das immer zielgerichtet auf ein größeres Ganzes hin ausgerichtet ist und deshalb massvoll bleibt, in orientierungslose Wucherung übergeht die die Basis zerstört auf der sie fusst ist höchste Vorsicht – nein Alarm! gegenüber solchen gigantomanischen kalten, masslosen Systeme geboten.
  • Der amerikanische Künstler Andy Warhol sagte einmal: ich möchte eine Maschine sein“. Vielleicht drückt sich in einer solche Äußerung auch die Sehnsucht aus, das Leiden, all die Irrtümer und das Chaos, die Einsamkeit und Hinfälligkeit die mit der Subjektivität des Menschen einhergeht, los zu werden.
  • Ich teile das nicht. Ich würde eher sagen, dass wir unsere subjektiven, menschlichen Potenziale zu wenig aktivieren. Dass wir unsere inneren Kräfte und Vermögen für die Anhäufung von äußeren Vermögen preisgeben.
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Die innern Vermögen

  • Diese innern Vermögen aber haben einen unvergleichlichen Wert, denn aus ihnen lässt sich Glück, Sinn, Freude, Lebenserfüllung durch schöpferisches Leben und Selbstverwirklichung gewinnen. Und das mit relativ schlankem, materiellen Aufwand.
  • Doch sie haben ein Merkmal, sie bleiben an die Person gebunden, sie lassen sich nur bedingt auf Andre übertragen, nicht delegieren und nicht kaufen. 
  • Jeder und jede muss den Schatz den er und sie in sich trägt mit eigenen Händen heben, bearbeiten und gestalten. Das ist der Wert der inneren Vermögen.


Dem technisch-naturwissenschaftlich objektiven Fortschritt steht die Kunst subjektiv ergänzend gegenüber.

  • In der Kunst gibt es keinen vergleichbaren Fortschritt wie in der Technik. Kunst ist, wie wir sahen nur begrenzt tradierbar. Sie bleibt an die Fähigkeit des subjektiven Menschen gebunden.  
  • Während die Teleskope von Kopernikus und Galilei sich zum Hubble-Teleskop gesteigert haben, bleiben die Werke Leonardos Zeugnisse unerreichter Meisterschaft. 
  • Das gilt natürlich auch für die griechischen Skulpturen, aus deren ästhetischer Kraft die Renaissance erwacht ist und die zeitlose Schönheit der 3500 Jahre alten Nofretete.
  • In der Kunst gibt es also zwar Entwicklungen, doch keinen vergleichbaren objektiven Fortschritt wie in der Technik.
  • In der Kunst ist der Mensch sein eigener Rohstoff, Arbeitsplatz und Tempel. Und was das erstaunliche ist: Kunst wird Jahrtausende alt, doch sie veraltet nicht, während das Up-date meines Computers von Heute schon Morgen überholt sein kann.

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Ich wiederhole:

Das auffällige Merkmal der Kunst gegenüber der Technik ist: Kunst ist subjektiv. Und das ist kein Nachteil sondern ein Wert!

  • bei technischen Produkten, ob Auto oder Roboter, gibt es einen Portotyp, doch kein Original. 
  • technische Produkte sind erfolgreich wenn sie „serienreif“ geworden sind.
    Jede Abweichung innerhalb dieser Serie wäre ein System-Fehler. Die Kreativität, Individualität und Lebendigkeit hat hier keinen Platz mehr, darf ihn nicht mehr haben. 
  • Ein technische Produkt ist nicht lebendig, es funktioniert oder ist defekt. Und es wird sich nicht aus sich selber regenerieren, wie das ein natürliches, lebendiges System vermag.
  • Kunst wird von einzelnen Menschen erzeugt und von einzelnen Menschen rezipiert, auch wenn sie, wie etwa bei einem Konzert von vielen ermöglicht und erlebt wird.
  • Das Subjektive ist der Schlüssel der Kunst und zugleich ein wesentliches Merkmal des Menschlichen.
  • Jeder von uns trägt den eigenen unverwechselbaren genetischen Code, den Grundton seines Lebens in sich, an dem sich die Lebensmelodie ausrichtet. Harmonisch oder dissonant – meist beides im Wechsel.
  • Wir alle haben einen unterschiedlichen Fingerabdruck, ein unterschiedliches Gesicht
  • Wir sind alle einmalige Originale. 
  • Der Unterschied des Gleichen, die Diversität die ein vielfältiges Ganzes ergibt, ist das Merkmal der Natur und des Menschen. 
  • Kein Herz eines Menschen gleich einem anderen, auch wenn sie füreinander schlagen.

  • Doch wie unterschiedlich wir Menschen auch im Einzelnen sind, so haben wir doch sehr vieles gemeinsam
  • Wir alle sind durch durch die Geburt in dieses Weltenhaus gelangt und werden durch den Ausgang wieder daraus verschwinden. 
  • Wir alle kennen die Liebe und das Leid, die Hoffnung und die Angst, die Freude und den Schmerz.
  • Das Subjektive ist also gar nicht so subjektiv wie es scheint.
    Wir sind trans-subjektiv.
    In uns spielt sich so viel Ähnliches ab. Die Spiegelneuronen in unserem Gehirn, und das gefühlsintelligente Herz, lasse uns mit andern mitempfinden. Wir sind empathiebegabte Wesen.
     
    Das Subjektive das uns isoliert und trennt, verbindet uns zugleich. 
  • Das Trennende und Subjektive ist also auch unsere Gemeinsamkeit. Das Großartige dabei ist, dass sich das Gemeinsame in jedem Menschen anders abspielt und ausdrückt, und somit einen wundervollen „Garten des Menschlichen“ möglich macht, oder machen könnte.
  • Die verbindenden Brücken dazwischen sind die Sprache, die Kommunikation und die Kunst.
  • Die Kunst lotet dieses verbindende Subjektive aus und gestaltet es – nicht zur Serienreife – sondern zum originellen präzisen Ausdruck innerer Wirklichkeiten.
  • Der Künstler, die Künstlerin sind gleichsam der Rohstoff des Menschlichen aus dem sie Gestalten bilden, Klänge schaffen, Geschichten erzählen, in denen sich viele andre Menschen angesprochen fühlen können, etwa wenn ihnen ein Text aus dem Herzen spricht, eine Melodie unter die Haut geht, ein Bild im wahrsten Sinne des Wortes einleuchtet.
  • Dann ist da ein Transfer, eine Kommunikation, zwischen den getrennten Menschen, die alle in ihren subjektiven Körper wohnen, hergestellt. 
  • Manchmal, bei Konzerten steigert sich die Kommunikation zur Kommunion, zum gewaltigen Einheitserlebnis mit Gänsehautgefühl, bei dem jeder und jede nicht nur sich selber spürt, sondern auch erlebt, das alle anderen in dieser gehobenen, festlichen Stimmung vibrieren.
  • Solch verbindende Kraft, die zugleich frei lässt und frei macht, ist die beseelende und nährende Speise der Kunst für den innern, den seelisch-geistigen und den körperlichen Menschen. 
  • Durch einen Dichter, einen Komponisten oder Maler spricht sich eine Gruppe, manchmal ein Volk, oder wie mit Schiller: die ganze Menschheit aus. 
  • Und das ist genau das Gegenteil der Gleichschaltung, wenn alle auf Kommando jubeln müssen.
  • Und hier wird die Kunst zur Wissenschaft des Subjektiven, und die Künstler sind Spezialisten des Ganzen.
  • Für ein geschlossenes System ist Kunst, in Sinne von Kreativität, nicht relevant, doch für den subjektiven Menschen – und es gibt nur den subjektiven Menschen, einen objektiven Menschen im wissenschaftlichen Sinne gibt es nicht – sehr wohl.
  • Kunst ist lebensnotwendig, denn sie bildet, seit der Eiszeit die Fähigkeiten weiter aus das noch Unvertraute kennen zu lernen, sozusagen den machtvollen Mammut in der eigenen Hand als Modell zu schnitzen, um das Fremde (vielleicht auch einen Virus) zu verstehen, und in die eigne Existenz zu integrieren, was uns erfahrener macht, was nährt und die Kommunikation fördert.
  • Wenn jedoch daraus ein System gemacht wird, weil etwa dieser kleine Mammut so erfolgreich ist und alle ihn haben wollen oder haben müssen, und er in millardenfache Reproduktion geht und wie eine Welle, größer als ein Mammut je war, die Erde und die Psyche mit Müll überzieht, dann müssen wir auf die Systeme aufpassen, dass sie nicht zuerst die Kunst, und dann den subjektiven Menschen für nicht systemrelevant erklären, dass die Androiden uns nicht smart per Phone übernehmen.
  • Wir müssen zwingend die Systeme unterscheiden lernen.
    Jene die lebensfreundlich wachsen und Frucht bringen für das Ganze, und jene die das gemeinsame Gut, einschließlich unserer farbigen subjektiven Vermögen abwerten und durch einen Strich- oder QR-Code ersetzen wollen, um sie in gierige, separate Taschen zu saugen, was  in der Folge Umwelt-Wüsten, Innwelt-Depressionen und verbrauchte Endverbraucher hinterlässt. 
  • Kunst ist die Natur der Kultur. Sie schützt die Artenvielfalt des Denkens und der Sichtweisen, und sie sorgt damit für ein gesundes Klima untereinander.

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Gestern Abend hörte ich mir noch zwei wundervolle Orchester an das zwei große Menschheitsrepräsentanten 1999 gründeten.

Einmal das von Daniel Barenboim gegründete West-Estern-Diwan-Orchestra, in dem israelische und palestinensische Musikerinnen und Musiker zusammen wundervolle Musik spielen, derer Regierungen sich nur mit der dümmsten Form der Kommunikation verständigen, nämlich mit hochgerüsten Feinbildern, Schuldzuweisungen und brutaler Gewalt.  

Und das von Yo-Yo-Ma gründete Silk-Road Ensemble, in dem Musikerinnen und Musiker aus den Ländern entlang der Seidenstraße miteinander Wunder an musikalischen Klangärten erschaffen, während an den Grenzen dieser Länder Scharfschützen aufeinander zielen.
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mein Fazit

Kunst ist menschheitsumspannend wie die Natur. Sie gehört dem Menschheitskörper an und durchblutet ihn mit Sinn, Weisheit, Wissen und Freude.

Ihre lichte Macht ist das quellende Spiel das aus der Herz-Mitte kommt, einer Mitte die die Extreme als Flügel zu nutzen weiß für den großen Flug der Liebe, in der die eine Sonne sich in unzähligen individuellen Wegen Gestalten und Farben der Erde ausdrückt.

Alfred Bast. Gott bewahre. Mischtechnik auf Papier. 30 x 30 cm. 2019.

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Alfred Bast, KUNST KLOSTER art research, Frauenhof, 14.9.2021