Baustelle Berlin
Konstrastprogramm zur keimenden Natur: auch in der Stadt „blüht“ manches auf.
So diese eingerüstete Großbaustelle, die mit einer fantastischen Kulisse das zukünftige Glück vorblendet, damit die Ungeduld, der Lärm und die Kosten nicht zu schmerzlich aufs Auge drücken. Während der starke Gegenwind der Wirklichkeit die Schutzplanen aufreißt und zeigt wie wenig (noch) dahinter ist.
Machtvoll rüstet sich auch das „neue Schloss“ für zukünftige Repräsen-TANZ-Veranstaltungen.
Die dunklen Wasser im Grunde, strömen vorbei – kanalisiert.
Zugleich ruhen in den Innenräumen der eindrucksvollen Museen wundervolle Kunstschätze. Etwa die neu restaurierten Bilder von Caspar David Friedrich im Kunsttempel, der alten Nationalgalerie.
Zur selben Zeit trohnt im Neuen Museum dieser Sitzende auf einer Ewigkeit, einer unter vielen, während die schöne ägyptische Prinzessin den Raum um sich her seit 3300 Jahren küsst, ohne dass ihr Mund an Frische verliert. Nein, dieser Mund ist nicht aus Stein, er ist aus reiner Schönheit.
In den Grüften des Museums gehen zwei Märchengestalten, die aus der Zeit springen wollen, Hand in Hand, vorbei an den leeren Sarkophagen.
Die Schildmütze des Großen ist zugleich schwarze Krone, und an seinen Turnschuhen haften die Flügel des Merkur. Während der Kleine in der Komödianten-Tracht des gedemütigten Welten-Clowns, sicher, an der Hand seines düster-schrill-bunten Königs, die Gräber seiner Angst verlassen kann.
Sie geben sich gegenseitig Halt und Legitimation und kümmern sich nicht um die staunenden Blicke.
Immer schon hat das Volk seine Könige und Gesonderten bestaunt. Sie sind das gewohnt.
Auch in einem Gebäude, einem der vielen Innenräume, die sich ergeben wenn Mauern nicht nur trennen sondern Leerräume bilden in dem Leben sich entfalten und entwickeln kann, in dem Bildung und Bilder gedeihen, genauer: im Museum für Naturkunde versammelt sich, auf drei Stockwerken, die gesamte Evolution. Präsentiert in einem sensiblen Beieinander.
Tigerfell Ausschnitt, Museum für Naturkunde, Berlin
Da können wir Menschen in den Spiegel sehen, erleben wie groß die Dinosaurier waren, wie dünn die Kruste ist auf der wir leben, wie klein die Erde, ja das Sonnensystem und selbst die Milchstraße als eine Galaxie ist, unter unzähligen. Und zugleich: in jeder winzigen Zelle pulsiert das Ganze, das Herz des Lebens, Steine malen ekstatische Formen auf der Basis geometrischer Ordnung. Oder das Fell eines Tigers: es wirkt wie ein Entwurf für die spielerische Auflösung des geometrischen Pentragramms, des Schlüssels zum Goldenen Schnitt, in freilaufende Bewegung.
Baustelle Berlin: nicht nur Attrappe, sondern Wirklichkeit, schaffend und bergend.
Sicher ist: wir sind schöpferisch, wir bauen – auch uns selbst – zum Guten oder Bösen, mit vielen Zwischenstufen. Wir können Mauern bauen, die nur trennen, oder wir können mit Mauern kunstvolle Frei-Räume schaffen, in der die Frage, woher wir stammen, wer wird sind und was noch aus uns werden kann, immer wieder neue Gestalt und Antwort erhalten kann.