Sonntag 17. Mai. Werktagebuch.

Früher Sonntagmorgen.

Wieder bin ich motiviert einen neuen Blogbeitrag zu schreiben.
Das verstehe ich auch als Gruß und mit-Teilung der Prozesse, die im äußerlich einsam erscheinenden Atelier geschehen. Innerlich jedoch ist das ein universeller Raum ohne Abstandsregeln, aber nicht ohne sensible Distanz, damit lebendige Zwischenräume entstehen können.
Maskenpflicht gibt es keine, doch hin und wieder ein dramatisches Maskenspiel.

Eines heißt:

Je mehr Ver-Ordnungen desto weniger Ordnung.
Darin behaupten die Einen: ein Baum bestehe aus Holz, und die Andern sagen NEIN! er bestehe aus Blättern. Unversöhnlich spalten sie das Ganze – den Baum – in Holz und Blätter, und sich selber gleich mit. Dabei produzieren sie Meinungsviren die unabhängiges, differnzierendes Denken angreifen, und es zur Frontenbildung zwingen. Das Ganze schwindet aus dem Blick. Übrigens: ein uraltes Masken-Drama, immer wieder mit andern Protagonisten und Zeitkulissen.

Buch 2. Sieben-Jahres-Projekt mit Reclam-Universal-Büchern. Mischtechnik auf Papier. 14.8 x 19,5 cm. 26.4.2013.

Sprachfindung 
Sprachfindung … sich ein-Bild-machen von der komplexen Situation die Leben heißt, ohne die Freund-Feind-Muster zu benutzen ist schwierig, und verlangt einen kreativer Akt. Einen der Gegenteiliges integriert, ohne in die Gut-Böse-Falle zu tappen.
Weder ein Sich-heraus-Halten, noch eine Rühr-mich-nicht-an-Neutralität ist damit gemeint. Stattdessen: den Plus und Minus-Pol in die Hände zu nehmen, (also links und rechts) um mit der Kraft der Mitte auch den kollektiven Stark-Strom auszuhalten der die Psyche elektrisiert. ( … Vorsicht! DURCH ZU KURZE SCHLÜSSE: KURZSCHLUSS GEFAHR! ). Um in diesem Spannungsfeld ein bewegliches Bild zu kreieren, das auf das Ganze ausgerichtet bleibt. Dadurch können festgefahrene Meinungen mit ihrer Farben-Bekenner-Mentalität durchaus wieder in Fluss geraten.

Strömende Ordnung im leeren Raum
Vielleicht könnte das so aussehen wie das Bild das letzte Woche in der Reihe der „Indien-Bilder“ entstanden ist?

Strömende Ordnungen. Acryl und Ölfarbe auf grundierte Leinwand. 45 x 55 cm. 2020.

Keine Vorstellung, kein Plan bestimmte die malende Hand. Der Pinsel schrieb zuerst mit Gelb unbekümmert seine Spuren auf die grundierte Fläche. Wissend, dass noch andere Farben und Formen folgen würden, die sich an seinen Spuren ausrichten. Bei diesem Malprozess galt nur die eine Spiel-Regel: Nichts was entstanden ist wird korrigiert oder übermalt.
Insofern war sich diese erste Handlung schon ihrer Bedeutung und Verantwortung für das weitere Geschehen bewusst. Die Haltung beim malen verlangte zugleich: festzulegen und offen lassen.

„OFFEN LASSENDE FESTLEGUNG“ Dieses paradox klingende Wortpaar ist verwandt mit einem meiner Lieblingsbegriffe aus der Kreativ-Forschung, mit … 

Ambiguitätstoleranz.
Immer wieder verweise ich auf diese Fähigkeit, und erinnere mich täglich an dessen Eigenschaften, um in den aktuellen Prozessen die Navigation zu halten. „Ambiguitätstoleranz ist die Fähigkeit entgegengesetzte Lösungsmöglichkeiten gleichzeitig auszuhalten.“ schreibt der Psychoanalytiker Paul Matussek in seinem Buch: „Kreativität als Chance“.

Disharmonisches Paar. Aus dem Spiel: Die Kunst der Wahrnehmung.

Ich verstehe das so, und erlebe das im Arbeitsprozess, dass widerstreitende Ansichten, Wege und Ideen ein kreatives Energiefeld erzeugen, das sich zur geladenen Stagnation verdichten kann. Bis aus dieser Spannung heraus ein Geistesblitz die widersprüchlichen Konzepte in einen überraschenden Zusammenhang bringt.

Bedingung ist, dass in dieser (lustvoll) anstrengenden Phase die innerste Navigation auf das unbekannte Ganze ausgerichtet bleibt. Auf die Vertikale, die sich nicht völlig vom horizontalen Geschehen absorbieren lässt.
Die schöpferische Freiheit ist dafür potentiell gegeben, doch sie braucht ein gewisses Mass an Eigenaktivität damit sie wirksam werden kann.

 

Schlag-Worte
Wenn komplexe Sachverhalte auf „Schlag-Worte herunter-gebrochen“ werden, geht das Verbindende zu Bruch. Schlag-Worte prügeln den Geist und produzieren den Aggression-Depression-Angst-Schock. Dann müssen Hilfs-Verbände herhalten um die Wunden zu verbinden.

Dadurch geht der Blick auf das Ganze verloren und dieses kann, als umfassendere Intelligenz, nicht mehr gestaltend und richtungsweisend in das Geschehen einwirken, weil die gegnerischen Parteien panisch-zwanghaft sofort jedes sachliche Argument für ihre partiellen Ziele verzwecken oder bekämpfen müssen. Gelassenheit wird als Nachlässigkeit interpretiert.

Doch solange der Körper, die Seele und der Geist den Zugang zur inneren Freiheit nicht verloren haben, gibt es einen gangbaren, zwar anstrengenden, doch sinnvollen und schönen Weg, der sich im Gehen ins Offene bildet. Niemand anders kann ihn für mich (dich) gehen. 

Vorsicht Sonntagspredigt
Wenn wir uns selber in die Hand nehmen … und uns auf unsere höchsten Werte ausrichten und daraus denken, fühlen und handeln, sind wir aus der kollektiven und persönlichen Freund-Feind-Magie heraus und können selbstschöpferisch das Leben gestalten. Im Sinne einer friedvollen, freundlichen und machtvollen Wirklichkeit, die dem Dasein zu Grunde liegt. Wir können uns gegenseitig unterstützen dadurch, dass jede Person, am unkündbaren, inneren Arbeitsplatz, ihre geistige und emotionale Unabhängigkeit verwirklicht.

 

Video-Skizze Nr 09

Das ist der Link zu den Vido-Skizzen
https://www.youtube.com/channel/UC5Ar3oXqNXBXetxfffrB5uw

Durch die Mauer der Stille
Ich lerne dabei, durch die Stille zu ziehen wie durch eine Mauer aus Vakuum. Sie ist prallvoll mit Leere. Wenn ich das aushalte, dann komme ich auf der anderen Seite wieder heraus – und erwache in den Traum meiner Alltags-Wirklichkeit.

Darin gibt es wunderschöne rätselhafte Gestalten – etwa die Akelei. Ich muss sie zeichnen um sie zu sehen. Denn die Hand glaubt nicht so einfach was sie sieht. Sie muss es begreifen und der Oberflächen-Erscheinung abhandeln.

 

Arbeitsblatt Akelei. Mischtechnik auf Papier. 42 x 58 cm. 15.16.Mai 2020.

DURCHS ZEICHNEN EINSEHEN WAS (durch Gewohnheit) ÜBERSEHEN WIRD, UM EINSICHT ZU BEKOMMEN.
EINSICHT IN DIE UNSICHTBAREN GRÜNDE DIE SICH DURCH FARBE, RHYTHMUS UND FORM ZUR ERSCHEINUNG BRINGEN.

Einen lichten Sonntag und beste Wünsche die kommende Woche.

Alfred (Bast)