Weltgeschehen, Morgengedanken 27.4.2025

Da stehen sie, lange schon verwurzelt im hügeligen Gelände, am Rande der schmalen steilen Straße zwischen Neubronn und Laubach, auf der ich mit dem Auto nach Aalen unterwegs bin. Die blühenden Universen, diese alten vermoosten Apfelbäume, in festlich hochzeitlichem Gewand. Die Milchstraße hat ihren nährenden Segen schäumend über sie ergossen. Der unhörbare kosmische Jubel, den die Vögel hörbar machen, breitet sich aus und ergreift mich.
Ich steige auf die Bremse. Glücklicherweise kein Verkehr. Mache ein hastiges Foto bevor mich das nächste Auto zum weiterfahren zwingen könnte. Doch das reicht nicht. Ich gehe hin und breche behutsam (wenngleich mir des Frevels schmerzlich bewusst) ein paar kleine Zweige ab. Doch ich „muss“ das tun. Bin ja „beauftragt“ sie zu zeichnen, sie zu erkunden und zu übertragen ins menschliche Vermögen. (Heute wo unter „Weltgeschehen“ fast ausschließlich das Menschengemachte verstanden wird, vergessend auf welchen kosmischen Zusammenhängen das alles basiert.)
Ob das so ist oder ob ich mir das zurechtdenke spielt im Grunde keine Rolle. Denn sind wir uns nicht selber ausgeliefert und aufgegeben, was wir mit unserem Hiersein in der Zeit anfangen?
Dieser bewusste Frevel verpflichtet. Es ist ein bindendes, zwingendes Versprechen.
Auf dem Ateliertisch warten die Schönheiten. Sie wachen dem Auge entgegen und der Hand die sie gebrochen hat, ob sie zeichnend ihr Versprechen auch einlöst? Der Zeichner kennt den Weg. Er ist ihn schon oft gegangen. Nein er kennt ihn eben nicht! Denn Zeichnen ist kein gebahnter Weg dem er nur blind zu folgen braucht.
Das leere Blatt, die leere Leinwand, das unberührte Gewebe, gleicht viel eher einem Wasser- oder Luftweg der keinerlei Spuren hinterlässt wenn sie durchquert werden, sondern sich sofort wieder, hinter der getanen Bewegung, schließt. Es braucht die innere Navigation und einen feinen Mut (wie beim Brechen) in der weglosen Weite der Möglichkeiten den Eingang zu finden und rasch einzutreten, wenn er sich zeigt.

Ein Karton, an dem ich gestern meine Spachtel für die weiß grundierten Leinwände abgewischt habe liegt auch auf dem Tisch. Seine unprätentiöse Präsenz mit dem hingewischten Weiß auf der Graupappe nehmen Kontakt zu den wundervollen Blüten auf. Im Weiß sind die Blüten ja schon anwesend.
Ich erkenne und die Hand folgt der Spur.
