Sonntag, 10. Mai 2020. Werktagebuch.

Frauenhof, 10. Mai 4:30 Uhr

Einen guten Sonntag-Morgen,

… seit 10 Tagen bin ich nun von meiner fiktiven Reise aus Indien zurück und im KUNST KLOSTER art research Atelier gelandet. Coronien hat alle Orte zusammengeschmolzen, und so erscheint es, als wäre ich gar nicht weg gewesen.

Die Beendigung des Sieben-Jahres-Projektes mit Reclam-Universal-Büchern gibt Raum für neue Experimente, etwa kurzen Videoskizzen die auf YouTube angeschaut werden könnten (… dank Martin Rohrbach). https://www.youtube.com/channel/UC5Ar3oXqNXBXetxfffrB5uw

22 „Indien-Bilder“. Mischtechniken. Je 45 x 55 cm. Stand 10. Mai 2020.

Die Reihe der „Indien-Bilder“ entwickelt sich weiter, ebenso führe ich weiter Werktagebücher. 
Da es so erfreuliche und ermunternde Rückmeldungen zu diesen gab, werde ich in loser Folge weitere mit Texten zu verschiedenen Themen und Bildern aus dem Werk-Archiv veröffentlichen.

Im heutigen Werktagebuch geht es um „IMPFORMATION“ und das geistige Immunsystem, um gedankliche Navigation, Deutungsperspektive, Meinung, „DAS ONLEIN“ und das Atelier. Zunächst ein „Piece of Peace“ zum 8. Mai.

8. Mai 2020


75 Jahre Kriegsende. Ein historischer Tag dem eine Zeichnung gewidmet ist.

A PIECE OF PEACE. Ölfarbe und Bleistift auf Papier. 42 x 58 cm. 8.Mai 2020

„IMPFORMATIONEN


Die aktuelle Debatte über Impfungen, die einerseits Erlösung von der Pandemie erhofft und andererseits als Angst vor Zwangsimpfung gefürchtet wird, geht schon ohne Spritze unter die Haut.

Das geistige Immunsystem


ist ein filigranes, sensibles Organ. Derzeit stürmen in Coronien heftige Winde. Kalte Meinungsnebel gefrieren zu Dogmen die sich gegenseitig mit Feuer provozieren. Geballte Angstszenarinen, ferne existenzielle Bedrohungen, nahe Bussgelder, Hoffnungsschimmer in Milliardenhöhe säuseln und dröhnen in den Ohren.
Beim Einkaufen verschwindet ein freundliches Lächeln, das sich den andern Augen-Blicken nicht mehr zu schenken vermag unter der Maske, und erlischt traurig im gehemmten Ausatmen.

Zugleich ist da die üppig blühende, grünende Natur und eine Stille, die es mir erlaubt – in der morgenfrühen Gedankenschmiede -,aus dem Hin-und-Her der Gegensätze, die tägliche Navigation zu justieren: Durch die schöpferische „Kraft der Mitte“.

Dabei werden manchmal die Worte selbst beredt und geben überraschende Hinweise … wie die Nähe von Information und Impfung, die sich im Kopf zusammenmischen und „IMPFORMATION“, kurz: „IMPFO“ ergeben.

Werkgruppe: HEART IN BRAIN. vor Gang. Computerzeichnung. 1999.

Begriffe


Informationen sind Formationen die über Begriffe von Außen nach Innen und von Innen nach Außen wirken. Emotional geladene Begriffe haben eine starke, prägende Kraft. Das erleben wir alle, sowohl als Sender wie auch als Empfänger.

Wenn wir Informationen über die Sinne ( … und über den Bildschirm) aufnehmen und abgeben, erzeugen sie unmittelbare Reaktionen. Sie stimulieren verwandte Frequenzen. Kommt es zu starken Reaktionen, werden unmittelbar entsprechende Hormone ausgeschüttet, die dann die weiteren Empfindungen und Gedanken bestimmen, und damit unweigerlich den Bewusstseinszustand aus dem wir handeln.

Deshalb ist es so wichtig, den Informationen, und dem was ist auslösen, gegenüber achtsam und wachsam zu sein … sozusagen „in Form“ zu bleiben. Denn sie sind feiner als physische Impfstoffe und könnten, ich sage es noch einmal, mühelos über Bildschirme und Worte übertragen werden. Sie erzeugen stärkende oder allergische Reaktionen, je nachdem, und treten mit Gedanken, Begriffen und Meinungen in Verbindung, aus denen die jeweilige Ich-Identität destilliert und geformt( in-form-iert) wird.

IMPFOSIONEN … vielleicht doch mehr als ein Wortspiel?

Deutungsperspektive


Bild und Begriff prägen die Information und bestimmen die Kommunikation. Das ist Medienalltag. An diesem Bild-Begriff-Experiment kann die subtile Wechsel-Wirkung zwischen beiden erlebt werden.

Begriffe deuten, werten, legen fest. Bilder sind offen und „vielsagend“. Mit einem Begriff kann ein Bild „geimpft“ werden. Es wandelt sich durch die Magie des Wortes, ohne sich auch nur um ein Pixel zu ändern.

Anhand des Fotos dieses ernsten Mannes lässt sich erleben wie sich der jeweilige Begriff auf die Wahrnehmung des Gesichtes auswirkt.
(Vorlage ist das vorgeschriebene Pass-Bild für mein Indien-Visa). Das kann man/frau auch mal mit eigenem Selfie aus probieren 🙂 … spannend!

Fremdbestimmtes Selbstportrait
Dabei fällt mir ein, dass ich 1985 eine Gruppe mit Zeichnungen gemacht habe mit dem Titel: „fremdbestimmtes Selbstportrait“, die sich mit der Sichtweise von Anderen auf das Selbstbild und deren Auswirkung befassten. Hier eine Auswahl.

Der Zersplitterer


Es gibt eine machtvolle, negative Macht die „der Zersplitterer“ genannt wird.
Diese Macht zersplittert die Zusammenhänge der vielfältige Einheit.
„Der Zersplitterter“, was immer das für eine Kraft ist, isoliert die zusammengehörenden Teile voneinander, (… zusammengehörend ist das was aufeinander hört). „Der Zersplitterter“ saugt das, was ursprünglich und spontan in der Mitte zwischen Menschen lebt: Interesse, Empathie, Solidarität, Eros und Liebe, auf, und „impft“ den entleerten Zwischenraum stattdessen mit Angst und Schmerz, der in Hass und Depression übergehen kann. Die verbindende Mitte schwindet, wie elastisches Knorpelgewebe zwischen den Knochen, die sich dann als feindliche Parteien schmerzlich aneinander reiben.  Vielleicht nährt sich „der Zersplitterter“ von dem was zwischen Menschen natürlich und ursprünglich pulsiert?

Wiese

Doch will ich hier nicht ins Gruselkabinett des Vampirismus gehen, sondern lieber vor die Tür und eine Wiese betrachten. Denn diese ist gewiss das grüne, blumige Gegenbild jeder Zersplitterung.
Diese duftende Entfaltung von verschiedensten Gras- Blatt-Formen und von Blumen-Farben, ist der schöne Ausdruck vielfältiger Einheit, die zugleich andere Wesen nährt. In meinem Augen ist das manifestierte, verkörperte Liebe … ein paradiesisch, prickelnder Teppich, wenn die blanken Füsse drüber gehen. Klingt das übertrieben? Wenn ja, dann nur weil es mir an den richtigen Worten mangelt, oder nur eines zutrifft: unbeschreiblich.

Kleines Sonntags-Werk. Mischtechnik auf Papier. 30 x 30 cm. 3. Mai 2020

Liebe


Liebe, ist ein Begriff für jene freie Kraft die viele Meinungen und Sichtweisen beherbergen kann. Wie das Licht das nicht nur Millionen Farben zur Erscheinung bringt, sondern auch deren eine Ursache ist.

Liebe gründet ihre Identität nicht auf Meinungen und Ansichten, sondern auf dem ursprünglichen SEIN. Sie ist weniger Objekt als Zustand.
Sie wohnt in der tiefen Ruhe und wirkt aus dieser. Worte die aus solchem Zustand gesprochen werden, Gedanke die sich dort bilden, heilen und nähren.

Innerer Ort


Dass dieser Zustand im Lebensalltag ein beweglicher Ort ist der ständig entwischt wenn man ihn jagt, und schwierig zu finden ist, ist mir bewußt. Für manche Menschen, (und manche Aspekte im eigenen Wesen), ist ein solcher Ort gar nicht mehr existent, wenn „der Zersplitter“ am Werk war.
Sie beheimaten sich in Meinungen, verteidigen diese und greifen andere an, meist ohne diese zu begreifen. Das führt zum „altbewährten“ Freund-Feind-Muster, das sich dramatisch spannend inszeniert, und vielleicht deshalb so viel Aufmerksamkeit absorbiert.

Die Aufmerksamkeit wieder der Mitte – zwischen den Gegensätzen – zuzuführen, damit das eigenständige, schöpferische Denken im „Stille-Raum“ gedeiht, dem gilt diese gedankenbildende Morgenarbeit am inneren Arbeitsplatz.

Stille-Raum


Wer von diesem hochfrequenten Stille-Raum in sich weiß, ihn sucht, findet, öffnet und betreten kann, wer darin zu wirken, und aus ihm zu handeln lernt, weiß und spürt, dass dies eine zentrale menschliche Aufgabe und, ja, „Pflicht der Freiheit“ ist, die „unter allen Umständen“ getan werden will und getan werden kann.
Zugleich ist es dies Erfüllung, denn so schmilzt das Zersplitterte im Feuer der Gedankenschmiede und kann neu informiert und verbunden werden mit der vielfältigen Einheit des lebendigen Seins.

Bild: Werkgruppe: „Indien-Bilder“ Das Gute, das Wahre, das Schöne. Mischtechnik und Blattgold auf grundierte Leinwand. 45 x 55 cm. 2020.
Nach einem Entwurf aus dem Sieben-Jahres-Projekt mit Reclam Universal-Notizbüchern vom 8.1.2018 aus Buch 37.

9. Mai 2020: Randnotizen

M E I N U N G

Ein Wort das zwei Qualitäten ineinander verschränkt: Mein und Einung

Mein ist etwas dem eigenen Haus und Bewusstsein zugehöriges, und der Begriff Einung hat den Geschmack eines (harmonischen) Zusammenschlusses von gegenteiligen Ansichten. 

Meinung vermittelt etwas Gesichertes, etwas das man hat, in dem sich leben lässt.

Doch kaum hat man sich seine Meinung gebildet und tut sie kund, ist die EINUNG im größeren Sinne ziemlich sicher dahin, denn meine MEINUNG ist fragmentarisch und trifft auf andere MEINUNGEN, die das Selbe ganz anders beurteilen. Soll ich dazu „DEINUNGEN“ sagen? 

DENKEN. Mischtechnik auf Papier. 30 x 40 cm. 2017.

Denken

ist die Fähigkeit feste Meinungen zu akzeptieren, auch zu entwickeln, wie stabile Mauern die sich nicht so leicht einreisen lassen, und die Schutz geben. Doch sind solche Mauern nicht ganz dicht. Sie haben Löcher: Türen und Fenster, und wir nennen sowas „Häuser“. 

Ob ein solches Meinungshaus ein Gefängnis, ein Tresor, eine Schule, eine Bleibe, ein Tempel oder ein Zuhause ist, das wird durch die Kraft des (bildnerischen) schöpferischen Denkens mitbestimmt.  

Denken ist der permanente, lebendige Vorgang der sich im Meinungshaus abspielt, und der dessen Qualitäten ständig modifiziert und großräumig ausbaut.

Meinung, das will ich nicht vergessen, kommt auch ohne Denken aus, wenn sie sich von kollektiven Standards ableitet, an Großmeinungen anschließt und von Meinungsmachern impfen lässt.

Dann ist es eben nicht MEINUNG, in Sinne von „MEINE EINUNG“, sondern bloß noch: MEIN  UNG.

8. Mai 2020

Heute das Bild „DAS ONLEIN“ abgeschlossen. Es ist Bild 22 in der Reihe.

DAS ONLEIN

Die Reihe der „Indien-Bilder“ haben als Vorlage fast immer eine Doppelseite aus dem „Sieben Jahres-Projekt mit Reclam-Universal-Notizbüchern.

Am 10. 11. 2017 zeichnete ich „DAS ONLEIN“ in Buch 30. Ich kam nicht darum herum es in die Reihe der „Indien-Bilder“ aufzunehmen.

Im Atelier will die ganze Spannweite wirksam werden. Vom Guten, Wahren und Schönen, das sich in der Natur in jeder Wiesenblume ausdrückt, bis zum Gegenteil. Das Wahre umfasst auch die dunkele Seite des Schönen.

DAS ONLEIN. Mischtechnik auf Leinwand. 45 x 55 cm. Mai 2020

7. Mai 2020: Randnotizen:

Atelier

Du brauchst im Atelier die Konzertration und Präzision eines Chirurgen,
die Hingabe und Ausrichtung eines Dirigenten,
und die Leichtigkeit, Offenheit und Spielfreude eines Kindes.

Video-Skizze 2. Arbeitsblatt. Mischtechnik. 42 x 58 cm. 6. Mai 2020.

Einen schönen Sonntag und eine zuversichtliche Woche wünsche ich.

Herzlich
Alfred (Bast)